Papa, Matze hat gesagt … – Heute: Farbenlehre (?)

Vater und Sohn im Zwiegespräch

Eine Satire von Martin Schnakenberg

Ich komme kurz zurück aus meinem selbst verordneten Arbeitslager (in dem ich anschließend auch wieder entschwinde), um das folgende Gespräch zu veröffentlichen. Obwohl: Diese Satire erschien zum ersten Mal in einer sehr vereinfachten Form in einem der Vorläufer des heutigen Muskelkaters, welcher noch bei anderen Bloganbietern geparkt war. 2009 erschien er dann stark überarbeitet hier (mit beabsichtigten Rechtschreibfehlern wegen des Slangs) und heute setzte ich den Dialog in neuer Überarbeitung in den Blog Freies in Wort und Schrift (FiWuS). — Warum aber mehrmals? Weil ich ihn persönlich mag und sich in der Zwischenzeit viele Änderungen ergeben haben. Zwar keine in der Farbenlehre, dafür aber umso mehr in der Politik. Trotzdem geht der Artikel nicht auf die Banken- und Kapitalistenkrise ein, weil diese noch nicht beendet ist und uns das Verrückteste noch bevor steht. Vater und Sohn beschäftigen sich diesmal ganz locker mit den Farben aus der Kunst und der Politik. Dass der Vater wieder einmal in Gefahr gerät, den Kürzeren zu ziehen gegen die Argumente seines pfiffigen Sohnes, ist eigentlich schon vorprogrammiert, wenn der Sohn mit den Aussagen des Vater seines Freundes Matze als Eröffnungssequenz kommt…

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Papa, Matze hat gesagt… – Heute: Der Duft, mit dem man Kasse macht

Vater und Sohn im Zwiegespräch

Von Martin Schnakenberg

So langsam geht es auf Weihnachten zu, ob freiwillig oder nicht. Wenn man in die Geschäfte schaut, dann beginnt die Weihnachtszeit schon Ende Juli. Und komischerweise wird auch alles gekauft, obwohl sich jeder darüber beschwert, dass die Nikoläuse jedes Jahr früher kommen.

Jedes Jahr im Hochsommer stehen verzweifelte Frauen (und Männer!) vor den Regalen und murmeln verständnislos „Nun schau dir das mal an: Christstollen! Im Juli! Wer soll den denn jetzt schon essen?!!“ Dann einmal umgedreht, ob keiner zuschaut und rein damit in den Einkaufwagen und mit einer Tüte Chips gut zugedeckt: „Kann ja nicht schaden, ist ja nur einer.“

Dabei ist es kein böser Wille, der die Menschen sich immer wieder selbst übertölpeln lässt. Es ist einfach die Werbung, die uns suggeriert, dass es einfach mal so sein muss und ganz selbstverständlich ist. Und dann tun wir es auch. Ob es jetzt zu Gunsten der Pharmaindustrie ist oder der Chemischen Industrie, zu Gunsten der Unterhaltungs- oder der Autoindustrie oder Bekleidung oder Lebensmittel oder … – Wir lassen uns bedudeln und meinen, damit gehörten wir zur Elite. Das davon einige ausgeschlossen sind, wie z.B. Arbeitslose und Rentner, nimmt man dabei in Kauf. Wichtig ist, und das wird uns immer wieder von allen Seiten eingetrichtert, wichtig ist, dabei zu sein und am Wohlstand des Volkes teilzunehmen. Koste es, was wolle. Und wenn wir pleite sind, beginnen wir von vorne. Hauptsache, die da oben machen Kasse und wir da unten lassen uns immer mehr von denen da oben verblöden. Und langsam kommen wir dann zu dem Zustand, in dem wir denen da oben alles glauben und sie deshalb bei jeder Wahl wiederwählen, weil sie uns so schön Märchen erzählen können.

Und manchmal reicht auch schon die von der Werbeindustrie heftig umworbene Hygiene, wo sich Vater und Sohn wieder mal so herrlich erfrischend in den Haaren liegen und sich nach Herzenslust über Gerüche streiten können – und zwar mit dem Duft, mit dem man Kasse macht.

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SOHN: „Papa, Matze hat gesagt, seine Schwester hat gesagt, ihr stinkt es, dass sie nicht so riechen soll, wie sie riecht!“

VATER: „Und mir stinkt es, dass ich nicht lesen soll, was ich gerade lese! Können wir das Gespräch über die Geruchsprobleme von Matze’s Schwester vielleicht noch etwas aufschieben …“

SOHN: „Das sind ja garnich die Probleme von Matze’s Schwester.“

VATER: „Wessen Probleme denn?“

SOHN: „Von allen. Wird doch allen dauernd eingeredet, dass sie sich von oben bis unten besprühen und beschäumen und beschmieren müssen, damit …“

VATER dazwischen: „Beschmieren vor allen Dingen!“

SOHN: „Meinetwegen auch eincremen – jedenfalls soll keiner mehr so riechen, wie er von selbst riecht. Bloß nich!“

VATER: „Mein Gott, bleibt mir denn nichts erspart? – Mit den Kosmetika kann doch wirklich jeder …“

SOHN unterbricht: „Mit den was?“

VATER: „Kosmetika. Darunter versteht man alle Mittel, die ein Mensch benutzt, um sich sauber zu erhalten.“

SOHN: „Da wird man doch nicht sauber von, wenn man sich Parfum hinters Ohr tupft …“

VATER: „Zu den Kosmetika zählt man auch Seife und Zahnpasta – unter anderem.“

SOHN: „Von Waschen und Zähneputzen red ich doch nicht. Das ist doch normal.“

VATER: „Schön, das von dir zu hören. Heute morgen war deine Zahnbürste nämlich wieder mal knochentrocken!“

SOHN: „Gar nich …“

VATER: „Lüg mir nichts vor, ich hab sie angefasst!“

SOHN: „Aber nachts ess ich doch garnichts. Da reicht es doch, wenn ich morgens den Mund spüle!“

VATER: „Das reicht eben nicht! Nachts bilden sich Bakterien an den Zähnen, und die müssen mit der Zahnbürste vernichtet werden.“

SOHN: „Wenn du mit deinen Fingern an meiner Zahnbürste rumfummelst, kommt erst recht ’n Haufen Bakterien dran!“

VATER: „Also bitte, ja?! Du putzt dir auch morgens die Zähne und basta. – Wo war ich nun stehengeblieben!“

SOHN: „Bei den Kos-me-ti-ka.“

VATER: „Richtig. Ich wollte sagen: mit denen kann das jeder halten, wie er will. Wer sich pflegen will, der pflegt sich, und wer das nicht will, der lässt es eben. Wenn seine Mitmenschen dann einen Bogen um ihn machen, wird er’s schon merken …“

SOHN lacht auf: „Na bitte! Da sieht man’s ja!“

VATER: „Was sieht man?“

SOHN: „Dass du voll auf die Werbung abgefahren bist! Aber total!“

VATER: „Auf welche Werbung?“

SOHN: „Also, das ist echt voll krass! Jetzt glaubst du auch schon, dass alle Leute einen Bogen um dich machen, wenn du nicht das Superhaartonic gekauft hast und das Spray gegen Mundgeruch und das Unterm-Arm-Spray und das Intimspray und …“

VATER: „Jetzt halt aber mal die Luft an! Bist du jetzt völlig übergeschnappt?“

SOHN: „… und vielleicht auch noch den Fußpuder?!“

VATER: „Vielleicht behauptest du auch noch, dass ich in Eselsmilch bade, was?“

SOHN: „Eselsmilch hab ich bei uns noch nicht gesehn. Aber alles andere steht in dem kleinen Schränkchen im Bad.“

VATER: „Was hast du denn überall herumzuschnüffeln! Da werden wir den Spiegelschrank mal abschließen in Zukunft!“

SOHN: „Ist das vielleicht ein Geheimnis, was ihr da drin habt?“

VATER: „Es ist kein Geheimnis, aber es geht dich auch nichts an! Schon gar nicht, wenn du dir anmaßt, uns vorzuschreiben, womit wir uns pflegen dürfen! Sei froh, dass wir es in puncto Hygiene so weit gebracht haben!“

SOHN: „Man kann aber alles übertreiben …“

VATER: „Wer übertreibt denn mal wieder?“

SOHN: „Ich finde nämlich, ihr riecht von alleine sehr gut, Mama und du.“

VATER: „Herzlichen Dank. Das beruhigt mich sehr. Aber genau das ist eben die Folge von … von einer bewußten Körperpflege.“

SOHN: „Find ich garnich. Am besten riecht ihr, wenn wir verreist sind, und ihr habt nicht soviel Zeugs mit. Und wir sind am Strand oder so …“

VATER: „Ja nun – wir können nicht gut an jedem Tag im Jahr nach Meerwasser und Sonne duften.“

SOHN: „Deswegen braucht ihr euch noch lange nicht von oben bis unten vollzusprühen.“

VATER: „Willst du das gütigst uns überlassen?!“

SOHN: „Soll ich dir mal was sagen? Mama riecht seit ihrem Geburtstag wie Frau Brenner!“

VATER: „Hast du einen Stockschnupfen, oder was ist mit dir los?! Du wirst doch deine Mutter nicht mit dieser … dieser Schreckschraube vergleichen!“

SOHN: „Mach ich ja garnich. Aber das Parfum, das du Mama zum Geburtstag geschenkt hast, ist das Parfum von Frau Brenner. Und deswegen riecht sie jetzt genauso.“

VATER: „Das halte ich für absolut ausgeschlossen, dass Frau Brenner sich ein so … so exklusives Parfum leisten kann!“

SOHN: „Was heißt denn hier exklusiv?“

VATER: „Besonders … außergewöhnlich … unüblich …“

SOHN: „Na hör mal! Dafür bringen sie doch dauernd diese Werbespots im Fernsehen! Da werden noch tausend andere Leute so riechen, nicht nur Frau Brenner!“

VATER: „Kaum. Dafür ist es zu teuer.“

SOHN: „Matze sagt, seine Schwester sagt, die meisten Leute geben ein Irrsinnsgeld aus, weil man ihnen dauernd angst macht.“

VATER: „Wovor denn Angst?“

SOHN: „Eben davor, dass sie vielleicht nicht gut riechen. Matze’s Vater sagte nämlich, dass die Firmen das extra so machen und jedes Jahr einen neuen Duft erfinden, den jeder haben sollte – und dann verdienen sie sich dumm und dämlich. Weil alle Leute verunsichert sind.“

VATER: „Ich bin nicht verunsichert, zum Donnerwetter! Es ist mein eigener Wille, mich so zu pflegen, dass ich mich wohl fühle! Außerdem: was geht das Matze’s Vater an, wie ich mich pflege?!“

SOHN: „Garnichts. Aber Matze’s Schwester sagt, das man bloß denkt, dass man das selber will, in Wirklichkeit wird einem das eingeredet.“

VATER: „Der einzige, der sich wieder mal was einreden lässt, bist du! Vielleicht wirst du mal Matze’s Schwester und seinem Vater gegenüber etwas kritischer!“

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Kleine Pause

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SOHN: „Heute früh bin ich fast erstickt, als ich ins Badezimmer rein wollte. Hast du mich nicht husten hören?“

VATER: „Nein.“

SOHN: „Ich hab garkeine Luft gekriegt – weil du wieder wie verrückt mit diesem Fichtennadelduft rumgesprüht hast!“

VATER: „Stell dich nicht so an – du wirst es überleben.“

SOHN: „Ich schon. Ich nehm ja auch sonst nichts von dem ganzen Zeugs. Das Haarwasser nehm ich auch nicht mehr.“

VATER: „Das ist aber sehr gut für den Haarboden.“

SOHN: „Meine Kopfhaut ist doch okay. Und ich will nicht nach irgendwas Künstlichem riechen.“

VATER: „Dann steck dir doch am besten eine Knoblauchzehe zwischen die Zähne oder ein Stück Harzer Käse. Dann riechst du nach was Natürlichem.“

SOHN: „Ich hab nicht gesagt, dass ich stinken will! Ich will nur einfach nach mir selber riechen.“

VATER: „Ach, mach doch, was du willst …“

SOHN: „Mach ich ja. Weil das ja auch schädlich ist.“

VATER: „Was ist schädlich?! Mein Rasierwasser vielleicht?“

SOHN: „Das vielleicht nicht.“

VATER: „Was dann?“

SOHN vorsichtig: „Ich weiß ja nicht, ob es da unten für Männer auch was gibt … aber was die Frauen so nehmen … also der Arzt von Matze’s Schwester hat gesagt, wenn sie nochmal so’n Spray nimmt, dann schmeißt er sie raus! Er hat keine Lust, Leute zu behandeln, die sich mit Absicht krank machen!“

VATER sauer: „Jetzt ist aber endgültig Schluß! Du wirst dich bitte nicht mehr darum kümmern, womit und wohin irgendwer was sprayt. Hast du mich verstanden!“

SOHN: „Ja doch, ich will ja bloß …“

VATER: „Ja, du schon, aber ich will jetzt nicht mehr!“

SOHN: „Ich will dir bloß noch was sagen … damit du nachher nicht enttäuscht bist …“

VATER: „Worüber sollte ich enttäuscht sein?“

SOHN: „Dass Mama sich nicht freut. Ich hab nämlich gehört, wie sie zu Tante Jutta gesagt hat, sie will kein Parfum oder sowas mehr geschenkt kriegen.“

VATER: „Ist gut, danke. Wahrscheinlich hat sie noch genug Vorräte für die nächste Zeit.“

SOHN: „Vielleicht will sie auch mal garnichts nehmen …“

VATER: „Ach was …“

SOHN: „Vielleicht will sie ja mal rauskriegen, ob du sie überhaupt noch riechen kannst?“

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Papa, Matze hat gesagt… – Heute: Wie erkennt man schwarze Schafe?

Vater und Sohn im Zwiegespräch

Von Martin Schnakenberg

Osama Bin Laden ist tot. Sagt die USAnische Regierung. Schon seit 2001. Sagen ehemalige Geheimdienstler. Und Verschwörungstheoretiker sehen sich bestätigt, dass wir alle von den Amis ver…äppelt werden.

Da stellt sich natürlich die Frage: Wer ist hier eigentlich das schwarze Schaf? Bin Laden oder die CIA? Wer ist hier der Gefährlichere? Bin Laden als alter kranker Mann, der vor 10 Jahren an Nierenversagen starb? Oder die Geheimdienste der USA, die wahrscheinlich Al Kaida gegründet und die Vorgänge am 9.11.2001 selber initiiert haben, um die Welt im Namen der Terrorbekämpfung ans Gängelband zu nehmen und in Kriege zu führen?

Naja, soweit gehen die Überlegungen von Vater und Sohn zwar noch nicht, aber sie wollen ja auch erst einmal wissen, woran schwarze Schafe zu erkennen sind. – Okay, dann wollen wir ihnen mal zuhören in der freudigen Hoffnung, dass sie ein Ergebnis haben werden und … dass der Sohn mal wieder das letzte Wort hat.

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Wie erkennt man schwarze Schafe?

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SOHN: „Papa, Matze hat gesagt, sein Vater hat gesagt, das ist ein total schlechtes Bild, das mit den schwarzen Schafen!“

VATER: „So. Ist er jetzt zu allem Überfluß auch noch unter die Kunstkritiker gegangen …“

SOHN: „Nee, wieso?“

VATER: „Wenn er sich Urteile über Bilder anmaßt?“

SOHN: „Doch nich so ein Bild. Das ist doch nur, was man sich so vorstellt, wenn man sagt »schwarzes Schaf«.“

VATER: „Ach so, er meint diese Redewendung.“

SOHN: „Ja, genau.“

VATER: „Und was hat er daran auszusetzen? Das ist doch in der Tat sehr bildhaft, wenn man von schwarzen Schafen spricht, die plötzlich in einer weißen Herde auftauchen.“

SOHN: „Nee, das ist ein ganz schlechtes Bild. Weil … so ’n schwarzes Schaf, das hat doch bloß ’ne andere Farbe.“

VATER: „Ja eben, und damit fällt es aus dem Rahmen.“

SOHN: „Jetzt tust du ja auch schon so, als wenn das ’n richtiges Bild wär!“

VATER: „Wie?“

SOHN: „Du hast »Rahmen« gesagt. Wie von einem Bild.“

VATER: „Ach so – na ja, »aus dem Rahmen fallen«, das ist eben auch eine bildhafte Redensart.“

SOHN: „Jedenfalls – so ’n schwarzes Schaf, das macht doch überhaupt nichts. In so ’ner Herde. Das ist doch genau wie alle andern.“

VATER: „Was die Farbe angeht, eben nicht!“

SOHN: „Aber es ist doch nicht schlechter! So persönlich, mein ich.“

VATER lacht: „Ich nehme an, der Schäfer ist weniger an der Persönlichkeit der Schafe als an ihrer Wolle interessiert. Und vermutlich ist schwarze Wolle schlechter zu verkaufen, weil sie sich nicht so gut einfärben lässt.“

SOHN: „Kann man sie doch schwarz lassen. Schwarze Wolle braucht man doch auch!“

VATER: „Ja doch, aber wenn jemand weiße Wolle haben will, will er eben weiße Wolle haben, und dann werden die schwarzen Schafe eben aus der Herde genommen.“ – Schüttelt den Kopf – „Was lasse ich mich mit dir überhaupt auf solche Schafsgespräche ein?? Bin ich ein Hirte?“

SOHN: „Du sollst ja nur mal ’n bisschen nachdenken, das ist nämlich echt interessant!“

VATER: „Bisher fand ich’s nicht sonderlich interessant, »echt«!“

SOHN: „Weil du vielleicht denkst, es geht immer weiter mit richtigen Schafen, nich?“

VATER: „Womit geht’s denn weiter?“

SOHN: „Mit Menschen. Weil die Leute auch immer denken, die schwarzen Schafe, das sind die, die anders aussehen!“

VATER: „Wie anders?“

SOHN: „Na, eben anders. Wie die Mods, Skinheads, Goths oder die Penner oder die Ausländer oder so Rapcore-Musiker mit ’nem harten Beat oder …“

VATER unterbricht: „… danke, danke, es reicht fürs erste. Zumal all diese farblich abweichenden Schafe mittendrin in unserer gesellschaftlichen Herde leben und emsig ihr Gras zupfen. Was soll’s also?“

SOHN: „Die meisten Leute würden die aber am liebsten raus haben aus der Hammelherde, sagt Matze’s Vater.“

VATER: „Danach geht’s ja aber nicht. Auch die sogenannten Randgruppen oder Minderheiten genießen den vollen Schutz unserer Gesetze.“

SOHN: „Aber wenn man immer bloß auf die guckt, die anders aussehen, sagt Matze’s Vater, dann findet man die echten schwarzen Schafe garnich mehr raus.“

VATER: „Die echten, aha. Und wer soll das sein?“

SOHN: „Die, die so aussehen wie alle anderen und lauter miese Sachen machen!“

VATER: „Erschöpfende Definition.“

SOHN: „Und auf die fallen alle rein, weil sie immer extra gute Manieren haben, vielleicht sogar Anzug mit Krawatte und so was …“

VATER: „Ja sicher, jeder, der krumme Dinger vorhat, wird sich möglichst unauffällig und unverdächtig verhalten. Von dieser Tatsache leben sämtliche Krimis. Was soll man dagegen tun?“

SOHN: „Mehr nach innen gucken als nach außen.“

VATER: „Also, das ist natürlich ein saudummes Gerede, entschuldige bitte! – Genau das ist doch das Problem, dass man keinem Menschen in den Kopf gucken kann oder ins Herz oder wo sonst auch immer nach »innen«!“

SOHN: „Aber manchmal kann man sich’s schon denken, dass einer nich so anständig is, wie er aussieht. Wegen seinem Beruf. Und weil er soviel Geld hat.“

VATER sauer: „Natürlich! Wer es zu Geld gebracht hat und einen feinen Nadelstreifenanzug mit seidener Krawatte trägt, der ist Matze’s Vater von vornherein verdächtig! Und sowas nennt er »nach innen« gucken, ja?“

SOHN: „Er meint doch so Leute, die mit Waffen schieben oder Steuerbetrug machen oder so was.“

VATER: „Wer verbotene Dinge macht, der wird auch bestraft – früher oder später.“

SOHN: „Aber nicht alle. Und dann sind erstmal alle ganz nett zu ihm, weil man’s ihm nicht ansieht.“

VATER: „Solange jemand noch nicht überführt ist, geht man natürlich anständig mit ihm um, das ist ja wohl klar, oder?“

SOHN bockig: „Nein, ist es nicht! – Bei manchen weiß man nämlich ganz genau, was sie gemacht haben, und trotzdem werden sie noch gut behandelt, sagt Matze’s Vater. Weil sie aussehen wie ’n ganz normaler Bürger.“

VATER: „Ach, nun hör doch schon auf, das ist ja schrecklich …“

SOHN: „So alte Nazis, sagt Matze’s Vater, die die wahnsinnigsten Sachen gemacht haben, die …“

VATER unterbricht: „… wer von solchen Leuten unbestraft geblieben ist, gegen den gibt es keine gesetzliche Handhabe. Aber das kann ich dir jetzt nicht erklären.“

SOHN ereifert sich: „Und was ist mit diesen Wirtschaftsgangstern? Der Banken-, Kriegs- und Atomlobby? Und mit diesen korrupten und bestechlichen Politikern? – Die sind alle sehr viel schlimmer als einer, der mit ’ner Pudelmütze und ’ner alten Kutte gegen S21, Atommüll und Kriege demonstriert. Aber DER kriegt Ärger!“

VATER: „Nicht wegen des Demonstrierens bekommt einer Ärger und schon gar nicht wegen seines Aussehens, sondern allenfalls wegen verbotener Aktionen.“

SOHN: „Aber der ist doch trotzdem besser als so ’n eleganter Mafia-Boss, oder?“

VATER: „Also: Erstens weiß ich nicht, ob ein Mafia-Boss elegant ist – ich habe noch keinen gesehen. Und die Polizei zumeist auch nicht. Und im übrigen – das ist ja nun wirklich ein ganz alter Hut: »Kleider machen Leute!« Und wer auf ordentliches Aussehen verzichtet, setzt sich immer der Gefahr aus, falsch beurteilt zu werden.“

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Kleine Pause

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SOHN: „Ganz schön blöd ist das, wie?“

VATER: „Nicht »blöd«, sondern eher menschlich. Und im übrigen: vernünftige Menschen, auf die es letztlich ankommt, die lassen sich durch Äußerlichkeiten schon nicht irritieren. Die akzeptieren jeden erst mal so, wie er ist. Egal, wie er aussieht.“

SOHN: „Glaubst du das wirklich?“

VATER: „Ja, natürlich.“

SOHN: „Kann ich mir nicht denken.“

VATER: „Wieso kannst du dir das nicht denken?“

SOHN: „Wegen voriger Woche …“

VATER: „Was war denn in der vorigen Woche?“

SOHN wütend: „Da hast du meine ganzen Lieblingsklamotten in die Lumpensammlung gegeben!!!“

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Papa, Matze hat gesagt… – Heute: Männerhaushalt oder: Der geistige Abstand

Vater und Sohn im Zwiegespräch

Ich habe mir heute mal so meine Gedanken gemacht, was passieren würde, wenn wir mal das machen müssten, was wir sonst nie vorher gemacht und auch keine Ahnung davon haben. Und so kam ich auf dieses Thema, was man getrost auf andere Bereiche übertragen kann.

Denn so ergüsslich und genüsslich, wie die Gespräche zwischen Vater und Sohn im Arbeitszimmer des Vaters auch immer sind, so sind sie es auch, wenn Vater und Sohn ausnahmsweise gemeinsam auch mal im Haushalt mit anpacken müssen. Denn die Mutter war nur eine Woche weg und wird bald zurück erwartet. Also werden sich Vater und Sohn wohl etwas bemühen müssen, um Ordnung in den offensichtlich verschlampten Haushalt zu bringen. Das es hier wieder einmal um etwas geht, was der Vater von Matze gesagt hatte, war ja wohl vorauszusehen.

Im Moment ist der Sohn gerade am Teppich saugen.

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SOHN laut: „Papa?! Matze hat gesagt, sein Vater hat gesagt, es ist ’ne Affenschande, dass die Leute immer über…“

VATER: „Stell doch erst mal den Sauger ab, wenn du mit mir reden willst. Man versteht ja kein Wort!“

SOHN: „Ich denke, ich soll saugen??“

VATER: „Das sollst du – aber dann musst du auch deinen Mund halten! Eins geht nur.“

SOHN: „Dann mach ich lieber den Sauger aus.“ – Der Sauger wird abgestellt. – „Das wird sowieso nicht sauber.“

VATER: „Was soll das heißen? Wieso wird das nicht sauber??“

SOHN: „Weil dein Besuch gestern die ganze nasse Erde aus dem Garten in den Teppich reingetrampelt hat!“

VATER: „Erstens haben die Herren nicht getrampelt, sondern sind schlicht und einfach ins Zimmer zurück gekommen. Und zweitens kann kein Mensch etwas dafür, wenn plötzlich ein derartiger Wolkenbruch losgeht…!“

SOHN: „Ich sag ja garnichts. Aber so wird das nicht sauber. Da müssen wir den Schaumklopfer ranmachen.“

VATER: „Ach, nun gib dir mal ein bißchen Mühe, dann brauchen wir nicht extra umzumontieren. Das hält ja so auf.“

SOHN: „Das hat Mama auch gleich gesagt, dass ihr das zu lästig ist mit diesem Ding und dass sie das garnich benutzen wird. Und da hast du sie gefragt, ob das die Grenzen der Emanzipation sind…“

VATER: „Was hab ich gefragt??“

SOHN: „Na das. Grenzen der Emanzipation. Weil Frauen eben keinen technischen Verstand haben, hast du gesagt.“

VATER ablenkend: „Nun red nicht schon wieder so schlau daher, sondern beeil dich ein bißchen! Wir müssen auch noch abwaschen.“

SOHN: „Du musst abwaschen – ich sauge ja!“

Er stellt den Staubsauger wieder an.

SOHN laut: „Matze’s Vater hat gesagt, es ist eine Affenschande, dass die Leute immer über Dinge reden, von denen sie nichts verstehn!“

VATER: „Das sagt Matze’s Vater? Das zeugt ja von geradezu überwältigender Selbsterkenntnis!“

SOHN: „Was hast du gesagt?“

VATER: „Herrgott, stell das Ding ab, wenn du mit mir redest!“

SOHN sachlich: „So werden wir nie fertig.“

VATER: „Wie sieht denn die Tischdecke aus?!“

SOHN: „Na, dreckig. Das ist auch von gestern Abend. Können wir ja noch waschen. Die Küchenhandtücher müssen auch in die Wäsche, die stinken wie die Pest. Da hast du das umgekippte Bier mit aufgewischt!“

VATER: „Danke, ich weiß, was ich gemacht habe. Dann schmeiß das alles schnell in die Waschmaschine.“

SOHN: „Da ist die aber noch nicht voll.“

VATER: „Dann sieh zu, ob du sonst noch was findest.“

SOHN: „Nee, da ist nichts, was dazu passt.“

VATER: „Dann sind eben mal ein paar Stücke weniger drin.“

SOHN: „Können wir doch auch mit der Hand waschen – ich denke, wir müssen Energie sparen.“

VATER: „Müssen wir auch, aber heute müssen wir vor allem Zeit sparen. Tu, was ich dir sage!“

SOHN zuckt mit den Schultern: „Bitteschön – Meinetwegen…“

Waschmaschine wird angestellt

VATER: „Wie spät ist das eigentlich schon?“

SOHN: „Elf.“

VATER: „Du liebe Zeit – und um zwölf kann Mama schon hier sein.“

SOHN: „Ich wollte ja früher anfangen. Ich hab dich um sieben geweckt!“

VATER: „Ja, das ist mir nicht entgangen! Rücksichtslos war das! Wo ich gerade erst richtig eingeschlafen war.“

SOHN: „Ich hab aber gewusst, dass das nicht so schnell geht mit dem Saubermachen und allem… – Du mit deinem ‚Ärmelaufkrempeln und ran, dann sind wir in ’ner halben Stunde durch’…“

VATER: „Ich hab mich eben etwas verkalkuliert.“

SOHN: „Weil du nicht weißt, was Sache ist mit solchem Haushalt.“

Sohn stellt den Staubsauger wieder an

VATER: „Aber du weißt das, wie? Bist du nicht bald fertig? So genau kommt’s jetzt nicht drauf an!“

SOHN: „Sonst regst du dich doch über jeden Krümel auf! – Aber bitte! Mach ich eben Schluß. – Wir wollten doch auch noch ’n Kuchen backen, oder? Macht Mama doch auch immer, wenn du verreist warst.“

VATER: „Räum erst mal den Sauger aus dem Weg … paß auf, die Schnur!!!“

Ein Stuhl fällt um

SOHN: „Versteh ich nicht, wie die sich zweimal um das Stuhlbein gewickelt hat… – Na, ist ja nichts passiert.“

VATER: „Und jetzt hilf mir mal beim Abwaschen … ist ja fürchterlich, was hier alles rumsteht.“

SOHN: „Dabei haben wir garnich richtig gekocht. Die ganzen Tage immer bloß das Vorgekochte aufgewärmt. – Soll ich denn nun noch eine Backmischung anrühren? Braucht man bloß ’n Ei und Milch ranzumachen.“

VATER: „Hör bloß auf! Hier ist doch wohl gerade genug Schweinerei! Da brauchen wir nicht auch noch mit Eiern und Milch herum zu kleckern! Gib mir mal die Abwaschbürste rüber…

SOHN: „Soll lieber ich machen? Du kannst abtrocknen.“

VATER: „Nein, jetzt bin ich schon dabei … Au! Verdammt nochmal! Kommt das immer so kochendheiß hier raus?? Brennt ja wie Feuer, die Hand…“

SOHN: „Lass kaltes Wasser drüber laufen, dann ist ’s gleich gut. – Du hast das auch zu heiß eingestellt, warte mal…“

VATER: „Ist da ein Spülmittel?“

SOHN: „Klar doch, hier…“

VATER: „Danke … nun paß auf, der Teller rutscht da gleich runter…!

SOHN: „Wenn du ihn auch so an die Ecke stellst. Hier! Da muss der hin, dann kann er auch besser ablaufen…“

Mürrisches Geräusch vom Vater. Der Sohn fängt an, die Melodie zu „Ein bißchen Haushalt macht sich von allein, sagt mein Mann“ zu pfeifen.

VATER: „Hör auf mit diesem blöden Ohrwurm…“

SOHN: „Sagst du doch auch immer, dass man so ’nen Haushalt mit der linken Hand machen kann.“

VATER: „Ja, aber nicht mit zwei linken Händen … paß auf, die Tasse!!!“

Die Tasse fällt runter und zerbricht.

VATER: „Es ist doch nicht zu glauben!“

SOHN: „Du hast sie doch so auf die Kippe gestellt! – Aber ist nicht so schlimm, die ist noch von dem alten Kaffeegeschirr, da sind sowieso nur noch drei Tassen dagewesen.“

VATER: „Wieso waren da nur noch drei Tassen da? Wieso ist alles andere schon kaputt? Wird denn hier mit dem Geschirr herum geworfen?“

SOHN: „Nee, aber es wird tausendmal in die Hand genommen. Hat dir Mama doch auch schon erklärt: wenn man nie was anfasst, kann man auch nichts kaputt machen. – Matze’s Vater hat ganz recht!“

VATER: „Womit?“

SOHN: „Er sagt, die falschen Entscheidungen und der Streit und alles, das kommt bloß daher, dass die Leute immer über was reden, was sie selbst noch nicht ausprobiert haben…“

VATER auflachend: „Wenn man nur über das reden dürfte, was man selbst ausprobiert hat, dann würde sich wohl ein lähmendes Schweigen über diese Welt senken! Und die Journalisten könnten ihren Beruf gleich an den Nagel hängen!“

SOHN: „Die Politiker aber auch…“

VATER: „Die Politiker stehen in der Verantwortung und können sich unqualifizierte Beurteilungen gar nicht leisten…“

SOHN: „Trotzdem haben sie keine Ahnung. Matze sagt, sein Vater hat gesagt, wenn jeder Politiker schon mal am Fließband gestanden hätte, oder er hätte mal ’ne Weile parterre in ’ner Hauptstraße gewohnt, oder wär mal selber im Knast gewesen, oder wär mal selber auf Hartz4…“

VATER unterbricht energisch: „Was denn noch alles?!! Vielleicht soll er auch noch tot gewesen sein, damit er sich über … über … Bestattungsauflagen äußern darf, wie??“

SOHN: „Papa, das war nicht lustig! – Jedenfalls sollten die Politiker wissen, wovon sie reden, sagt Matze’s Vater, dann würde alles anders aussehen!“

VATER: „Ja, chaotisch würde dann alles aussehen! Jeder würde ständig seine Nase überall reinstecken, und niemand würde die klare Übersicht behalten. Nein, mein Lieber. Es muss auch Menschen geben, die Theorien entwickeln. Und verantwortliches Handeln erfordert grundsätzlich einen gewissen geistigen Abstand.“

Der altmodische Pfeifkessel auf dem Gasherd ertönt.

VATER: „Was ist denn das schon wieder?!“

SOHN: „Na, das Kaffeewasser kocht.“

VATER nervös: „Weißt du denn, wo der Kaffee ist?“

SOHN: „Ja, aber der muss erst noch gemahlen werden.“

VATER: „Mein Gott, dieser Umstand…“

SOHN: „Das hast du doch gesagt! Dass der Kaffee immer erst kurz vor ‚m Aufgießen gemahlen werden soll.“

VATER: „Und wo ist die Mühle?“

SOHN: „Dahinten im Schrank, aber da muss ich erst den Eimer und den Wäschekorb wegräumen … Au weia, Papa! Hier ist ja ’ne Riesenpfütze! Mann, du hast den Waschmaschinenschlauch aus dem Becken raus gemacht. Der muss hier wieder ran… Mama wollte immer eine moderne Maschine haben, aber du…“

VATER sauer: „Ja, ist schon gut. Aber warum hast du das nicht gleich gesagt, wo dieser blöde Schlauch hin muss?!!! Gib her! Vorsicht!! Du machst mich ja ganz nass! – Und nun … schnell aufwischen, das läuft ja schon alles unter den Kühlschrank! Und mach den Kessel aus – und wir nehmen Pulverkaffee!“

Der Wasserkessel wird abgestellt. Der Sohn wischt auf.

SOHN: „Ii, das ist ganz glitschiges Seifenwasser!“

VATER: „Wird die Küche wenigstens gleich sauber … Geh mit dem nassen Lappen von meinen Füßen weg!! …. und stell die Marmelade in den Kühlschrank … ich weiß ja gar nicht, wo ich die Messer hinlegen soll …“

SOHN: „Ja doch! – Also, weißte, Papa…“

VATER: „Was ist??“

SOHN: „Wenn ich mir das hier so ansehe…“

VATER: „Halt dich nicht mit Ansehen auf, beeil dich lieber, sonst stehen wir morgen früh noch hier!“

SOHN: „Jedenfalls siehst du ’s jetzt ja selber…“

VATER: „Was sehe ich selber?!“

SOHN: „Was dabei raus kommt … bei so ‚m geistigen Abstand, den die Politiker vom Volk haben!“

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Papa, Matze hat gesagt… – Heute: Vergesslichkeit, Verdrängung oder gar … mutwillige Zerstörung?

Vater und Sohn im Zwiegespräch

Ein sehr intensives Thema heute. Vielfältig und doch in sich kompakt. Denn manchmal ist es schon verzwickt. Da hat man gerade eben einen Kugelschreiber weggelegt und schon ist er verschwunden. Man hat einfach vergessen, wo man ihn zuletzt benutzt hat.

Schlimmer aber wird es, wenn man sich an Vergangenes, sogar seine eigene Jugend oder auch Abstammung, nicht mehr erinnern möchte und so tut, als hätte man diese Vergangenheit nie erlebt. Noch schlimmer wird es, wenn man sich dann in gehobenen oder besonderen Positionen befindet und vieles einfach verdrängt, was man falsch gemacht hat oder immer noch tut, und meint, dass nur das eigene Tun das einzig Wahre und Richtige ist. Und dann wird es sehr gefährlich, wenn man infolge seines Handelns auf die losgeht und nieder macht, die für dieses dann entstandene Schlamassel überhaupt nicht verantwortlich sind.

Auf diese Ungereimtheit stößt hier der Sohn, der seinen Vater ganz gewaltig in die Zange nimmt. Mit jetzt nicht mehr heiteren Argumenten, die … aber lest selber:


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SOHN: „Du Papa?“

VATER seufzt: „Ja, ich weiß schon: Matze hat gesagt, sein Vater hat gesagt…“

SOHN unterbricht: „Ne, hat er ja garnich. Ich wollte dich nur fragen, ob du meinen Radiergummi geklaut hast.“

VATER: „Was heißt hier geklaut?! – Ich habe ihn mir nur ausgeliehen, weil meiner weg ist. Hier … kannst ihn zurück haben.“

SOHN: „Danke. Aber Matze sagt auch, dass…“

VATER stöhnt: „…also doch!“

SOHN: „Ne, diesmal nur der Matze. Er sagte nämlich, dass vieles verschwindet, wo man garnich hinter kommt, dass es weg ist.“

VATER berichtigt: „Gar-nicht-dahinter-kommt, heißt das. Sag mal, was lernt ihr eigentlich in der Schule?“

SOHN zitiert: „Richtiges Deutsch, mein Sohn, also gepflegtes Deutsch ist das A und O jeder Unterhaltung in unserem Land. Die Umgangssprache lernen wir so nebenbei. Und auch den Dialekt, der eigentlich unsere Muttersprache ist. Aber Deutsch, richtiges einwandfreies Deutsch müssen wir lernen, damit wir uns überall einwandfrei ohne Missverständnisse unterhalten können.“

VATER zieht die Augenbrauen hoch und sieht seinen Sohn staunend an: „Genauso habe ich das gesagt, oder?“

SOHN: „Jep. Wobei ich deine kleinen Fehler von damals berichtigt habe.“

VATER: „Das beruhigt mich ungemein, dass du das noch nicht vergessen hast.“

SOHN: „Ich bin ja auch noch jung und…“

VATER: „…ich bin alt, wolltest du doch sagen!“

SOHN: „Ne, nich direkt. Aber Papa, wie kommt es eigentlich, dass man so vieles vergisst?“

VATER: „Naja, da gibt es viele Gründe. Einer der Gründe ist, dass es für einem selber nicht so wichtig ist. Dann vergisst man es sehr schnell.“

SOHN: „Und dann kommt man auch nich hinter, wenn es weg ist, wie Matze sagte.“

VATER lächelt: „Ja, so ungefähr.“

SOHN: „Matze hat gesagt, sein Vater hat gesagt, daß es da im Gehirn so ne Art Knotenpunkte gibt, die die Verbindung herstellen, wo was ist, was man vergessen hat.“

VATER skeptisch: „Wie meint er denn jetzt das?? – Ist Matze’s Vater jetzt etwa unter die Gehirnforscher gegangen?“

SOHN: „Ne, das nich grade. Aber wenn du den Knotenpunkt hättest, was du beim letzten Mal gemacht hast, wo jetzt der Radiergummi weg ist, dann wüsstest du auch, wo der denn liegt.“

VATER sauer: „Ich habe wahrlich keine Lust, mich mit den Rätseln von Matze’s Vater zu beschäftigen. Ich habe sinnvolleres zu tun, als mich mit den geistigen Ergüssen dieses Herrn zu befassen.“

SOHN lächelnd: „Ich sage nur: Lexika’s…“

VATER: „Lexika’s? – Sag mal, willst du mich auf dem Arm nehmen?“ – Dann dreht er sich plötzlich erkennend um und starrt zum Regal. – „Ach du liebe Zeit, da liegt er ja, direkt vor Band A-B. – Sag mal, wie bist du denn da drauf gekommen?!“

SOHN: „Weil das einer der Knotenpunkte war, was Matze’s Vater meinte. Du hast neulich in den Büchern gewühlt und Bemerkungen von dir ausradiert.“

VATER: „Ich merke schon, der Sohn ist seinem Vater ein Stück voraus.“

SOHN: „Nicht nur ein Stück. Matze sagt, sein Vater hat gesagt, es gibt sehr viele Leute, die etwas bewusst vergessen. Er hatte da noch ein anderes Wort…“

VATER: „Du meinst: verdrängen. In der Tat gibt es viele Leute, die etwas verdrängen, sei es, weil sie nicht mehr daran erinnert werden wollen, oder weil sie eine bestehende Tatsache nicht wahrhaben wollen.“

SOHN: „Du meinst das 3. Reich?“

VATER: „Ja, das zum Beispiel.“

SOHN: „Oder Erinnerungen an ihre Kinder- und Jugendzeit?“

VATER: „Ja, auch das.“

SOHN: „Oder weil ihnen etwas nicht passt, was nicht zu ihrem Weltbild gehört und sie es deshalb verdrängen?“

VATER: „Sogar das. Und alle drei Beispiele, die du aufgezählt hast, sind bezeichnend für eine sogenannte gewollte Amnesie, also ein gewolltes Vergessen oder Erinnern.“

SOHN: „Aber immer ist es was Schlimmes, was sie verdrängen, oder?“

VATER: „Nicht unbedingt. Es kann auch etwas schönes gewesen sein, was aber keiner erfahren soll.“

SOHN: „Beispiel…“

VATER: „Ein Beispiel möchtest du. Na, nehmen wir mal an, eine Frau fand es schön, dass sie vergewaltigt wurde. Dann verdrängt sie es aber trotzdem, weil…“

SOHN unterbricht empört: „Aber Papa!!! – Ich kann mir nicht vorstellen, dass es irgendeine Frau oder auch ein Kind es schön findet, wenn sie oder es vergewaltigt wurde. – Papa, das ist ein echt saublödes Beispiel!!!“

VATER beschämt: „Na gut, hast ja recht. Hast du etwa bessere Beispiele?“

SOHN: „Als den von dir sicher schon. Zum Beispiel Tante Elly, die im Urlaub war und vergessen hat, ihre Blumen zu gießen. Dann hast du es getan, wo sie sich gefreut hat, aber es dir nicht anmerken lassen wollte. Sie hat diese Freude also verdrängt.“

VATER schmunzelnd: „Ja. Sie spricht bis heute nicht darüber, weil es für sie als Blumenkind eine Schmach war, dass ausgerechnet ich mich darum gekümmert habe. Und diesen Triumph gönnt sie mir nicht.“

SOHN: „Aber Matze’s Vater hat gesagt, dass das Verdrängen auch auf schwere geistige Verwirrungen beruht. Wie bei dem Professor aus Bremen oder den katholischen Priestern.“

VATER: „Aber hoppla. Jetzt machst du aber einen riesengroßen Gedankensprung. Das kannst du doch nicht vergleichen.“

SOHN: „Doch. Diese Priester müssen doch geistig verwirrt sein, dass sie für ihre sexuellen Gelüste kleine Jungs vergewaltigen, weil sie ja sonst nichts mit Sex zu tun haben dürfen. Sagt ja die Kirche in ihrer Satzung. Also ist es auch ein gewolltes Vergessen!“

VATER lenkt ein: „Na gut, da muss ich Matze’s Vater ausnahmsweise mal recht geben. Bedenke aber bitte, dass nach dem Glauben der Kirche die Sexualität nur für die Fortpflanzung da ist.“

SOHN: „Pflanzen sich die Priester etwa mit den kleinen Jungs fort? – Papa, ich bitte dich. Das ist doch mehr als nur blöd. Die sollen sich doch erwachsene Frauen und Männer suchen. Aber Kinder sind ja wehrlos.“

VATER seufzt tief: „Mein lieber Junge. Du hast dich aber auch wirklich gut auf dieses Thema vorbereitet. Wenn du nur so gut in der Schule wärst!“

SOHN ereifert sich: „Du willst jetzt nur vom Thema ablenken, Papa. Genauso, wie der Professor aus Bremen, dieser Heinz Sohn, oder wie der heißt.“

VATER: „Professor Dr. Dr. Gunnar Heinsohn. Soviel Zeit muss sein. Er ist ein sehr bekannter Dozent an der Universität zu Bremen.“

SOHN sauer: „Ja. Sein Vater war U-Boot-Kommandant im 2. Weltkrieg und hat viele Menschen auf dem Gewissen. Und seit einem Jahr ist er in Pension. Hat Matze’s Vater erzählt. Und jetzt hat er Langeweile und will auch Leute abschießen, wie sein Vater!“

VATER: „Moment-Moment. Hier werden keine Leute abgeschossen, wie du sagst. Er hat nur gesagt, dass die Unterschicht zuviel Nachwuchs produziert und…“

SOHN unterbricht: „Ja ich weiß. Die Unterschicht!“

VATER steht ärgerlich auf: „Verdammt nochmal, unterbrich‘ mich nicht dauernd, wenn ich versuche, dir was zu erklären!!!“

SOHN wütend: „Und was ist mit der Oberschicht? – Sind die etwa schlauer, nur weil sie mehr Geld haben???“

VATER wird ebenfalls wütend: „Jetzt brülle mich nicht so an. Ich habe dir bisher recht gegeben. Aber jetzt reicht es. Verstanden?“

Pause

SOHN: „Matze hat gesagt, sein Vater hat gesagt, wer die Menschen in Klassen aufteilt und die untere Klasse als minderwertig beschimpft, der hat bewusst verdrängt, dass er selber auch mal nackt geboren wurde.“

VATER immer noch sauer, nimmt sich die Zeitung: „Ja, ich weiß. Der Vater von Matze vergisst natürlich wieder mal nichts!“

SOHN: „Und du? Weißt du noch die Worte, mit denen ich hier rein gekommen bin?“

VATER: „Nein, habe ich vergessen!“

SOHN: „Siehste! – Ich sagte: „Du Papa?“ – Dann sagtest du: „Ja, ich weiß schon: Matze hat gesagt, sein Vater hat gesagt…“ – Und ich habe geantwortet: „Ne, hat er ja garnich. Ich wollte dich nur fragen, ob du meinen Radiergummi geklaut hast.“ – Und dann haben wir den Radiergummi gefunden. Gemeinsam!“

VATER uninteressiert: „Und was soll das beweisen?“

SOHN: „Das du entweder vergessen hast. Oder verdrängt hast, weil es dich nicht interessiert. Oder…“

VATER: „Das ist wieder mal eine Frechheit von dir. Also: Oder … was?“

SOHN: „Oder ich bin nur ein wehrloses kleines Kind, mit dem man alles machen kann. Genauso wie mit den Jungs in den Klosterschulen oder auch mit den Hartz4-Leuten.“

VATER wütend: „Verdammt nochmal. Was soll jetzt wieder Hartz4 bei diesem Thema?!!! – Was hat Matze’s Vater dir sonst noch für Flöhe ins Ohr gesetzt?!!!“

Pause, während der Vater auf Antwort wartet.

VATER: „Was ist jetzt. Schweigen im Walde? Oder was?!!!“

SOHN: „Du Papa? – Wenn ich jetzt ein Terrorist wäre…“

VATER unterbricht: „Untersteh‘ dich, an sowas noch mal im Entferntesten zu denken und zu erwähnen. Hörst du???“

SOHN: „Ist ja nur ’n Beispiel, Papa.“

VATER: „Nagut. Also…?“

SOHN: „Also. Wenn ich ein Terrorist wäre und würde dein Büro, deine Bank und dein Haus in die Luft sprengen. Dann würde ich dich und uns damit doch genauso umbringen, als wenn ich dich erschossen hätte. Oder?“

VATER: „Da ist was wahres dran. Denn damit wäre alles, was ich mir aufgebaut hätte, futsch. Ich hätte nichts mehr zum Leben. Grauenvoller Gedanke…“

SOHN: „Siehste. Und Matze sagt, sein Vater hat gesagt, das machen die Regierung, die Banken und dieser Professor genauso mit uns. Vor allem mit denen von Hartz4, die dagegen genauso wehrlos sind wie wir Kinder!“

VATER: „Hatte ich mir gedacht, dass Matze’s Vater wieder ins Spiel kommt. Aber ich bin Beamter. Ich darf mich dazu nicht äußern. – Ja, ich weiß, was du sagen willst, dass es einige hier im Staat genauso machen. Und ich weiß auch, daß Matze’s Vater von der Umverteilung von unten nach oben spricht, wenn ihr alleine seid. Aber ich will und darf da jetzt nichts mehr von hören. Hast du verstanden? – Ende der Debatte!“

Schon wieder eine Pause…

SOHN: „Du Papa? – Kannst du dich noch an den Gestank erinnern, den ich gemacht habe, als ich noch in den Windeln gelegen habe?“

VATER sauer lächelnd: „Nein. Gottseidank nicht! – Du denn?“

SOHN schüttelt lachend den Kopf: „Nee, ich auch nicht.“ – Dann wird er wieder sehr ernst und geht langsam zur Tür. – „Aber viele werden sich bestimmt noch in 100 Jahren daran erinnern, was für einen Gestank die Banken mit ihren Millionengehältern, die Regierung mit ihren Reformen, die Kirche mit ihrer Moral und der Professor aus Bremen mit seinen Hasspredigten verbreitet haben, nur weil sie vergessen, verdrängt und andere dafür leiden lassen haben und vielleicht sogar ermordet…“

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