Gleich Montag Morgen mit einer schlechten Nachricht zu beginnen, kann einem die ganze Woche vermiesen, aber da kann ja die Nachricht nichts für. Sie liegt einfach auf dem Tisch und ich kann nicht umhin sie wahrzunehmen weil schon der Titel viel Erheiterung verspricht:
http://www.welt.de/politik/deutschland/article5799419/Die-Hartz-IV-Sozialromantiker-sind-gefaehrlich.html
Jetzt haben wir außer dem Sturm Daisy, der Schweinegrippe und den Taliban noch ein Angstgespenst in Deutschland: die Sozialromantiker. Schönes Wort eigentlich … und schon im Kern sehr böse. Was wäre denn dann das lobenswerte Gegenteil – was natürlich nicht ausgesprochen wird aber oft schon im Vorfeld die Marschrichtung bestimmt und die Denkrichtung des Schreibers entlarvt:
Asozialer Pragmatiker fällt mir dazu ein. Das soll also gut und nützlich sein? Mehr asoziale Pragmatiker retten die Welt?
Ist mir noch nicht ganz klar, darum lese ich weiter:
Der Satz, wer länger in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt hat, soll mehr bekommen, klingt überzeugend. Auch Verbesserungen für Kinder und Alleinerziehende sind populär. Doch vieles, was sozial aussieht, hat höchst unsoziale Folgen, weil es die Arbeitslosen ruhigstellt, anstatt sie zu aktivieren.
Sicher, diese Sätze sind logisch und zeugen von einem gewissen wenigstens durchschnittlichen Gerechtigkeitsverständnis. Außerdem zeigen sie einen Respekt vor den Allgemeinen Menschenrechten, die Grundlage unserer Verfassung sind. Aber was ruhiggestellte Arbeislose unsozial macht, kann ich erstmal noch nicht sehen.
Sollten die lieber plündernd durch dir Düsseldorfer Kö ziehen, Tankstellen in Brand stecken und Bäume von Autobahnbrücken werfen? Das ist wenig romantisch, völlig asozial aber ziemlich pragmatisch, um auf seine eigene mißliche Lage aufmerksam zu machen, wobei man im Prinzip die Methoden der Arbeitsplatzvernichter (alles asoziale Pragmatiker) anwendet.
Ich muß also in der Tat noch weiter lesen.
Das ist keineswegs nur der Kurzarbeit zu verdanken, sondern auch der weitreichenden Modernisierung des Arbeitsmarktes im Zuge der Agenda 2010. Denn die Hartz-Reformen und andere Liberalisierungen etwa bei der Zeitarbeit wirken nicht nur auf Langzeitarbeitslose, sondern auch auf die Beschäftigten. Das Anspruchsniveau bis weit in die Mittelschicht hinein ist im Zuge dieser Veränderungen gesunken.
Also endlich weiß ich wo der Knackpunkt liegt. DAS ANSPRUCHSNIVEAU IST BIS WEIT IN DIE MITTELSCHICHT GESUNKEN! Stimmt, die verdienen jetzt weniger als vor zwanzig Jahren und wer aufmuckt kriegt ganz schnell Hartz IV und darf für einen Euro die Stunde arbeiten.
Verlängert man diese menschenfeindliche Strategie, so kriegen bald nur noch diejenigen zu Essen, die überhaupt noch ausbeutungsfähig sind während die anderen auf diversen Mülldeponien herumwühlen.
Wer hat überhaupt solche merkwürdigen Ideen? Frau Dorothea Siems … die bedauerlicherweise zeitgleich mit mir Geburtstag hat. Nach Angaben der WELT ist sie 110 Jahre alt, Mutter von vier Kindern und von Beruf … Wirtschaftsjournalistin. Eine Frau, die seit 100 Jahren mitten im Leben steht … aber auch von etwas leben muß. In diesem Fall vom Schreiben.
http://debatte.welt.de/mitglieder/179/Dorothea+Siems
Aber ich finde es schön, das Frau Siems die neoliberale Strategie der letzten zwanzig Jahre auf den Punkt bringt: für Arbeit gibt es kein Geld mehr, arbeitendes Geld allein soll den Gewinn bringen. Das Ziel der Erstellung möglichst großer Haufen Geld in Privathänden ist zwanzig Jahre später auch gut fortgeschritten … auf Kosten der nächsten Generation, die den Schuldenberg abbauen muß.
Die vierzig Millionen gut bezahlter Arbeitsplätze, die dieses Land bräuchte um finanziell wieder auf eigenen Beinen stehen zu können ohne sich ständig weiter bei Privatbanken zu verschulden (unter anderem, um den Bankrott eben gerade jener Banken zu verhindern …. so was kann man geistig gesund nur unter Drogen überstehen, glaube ich) liegen wahrscheinlich gut versteckt unter den Wühltischen des Arbeitsmarktes verborgen und harren dort der fleißigen Arbeitslosen, die nur zur Suche motiviert werden müssen um endlich reich und berühmt zu werden.
Völliger Nonsens, das weiß jeder. Die Hartz-Kaste wurde als Anreiz für die arbeitende Bevölkerung geschaffen, damit die noch eine Zeit lang für immer weniger Geld immer mehr Arbeit liefern. Im alten Rom nahm man dafür die Peitsche. Das geht heute nicht mehr … jedenfalls nicht so direkt.
„Die draußen stehen Millionen von zum Teil sehr gut ausgebildeten Hartz-Abhängigen herum, die jederzeit gerne Deinen Job übernehmen würden!“ …. so tönen die Einpeitscher der Personalbüros in diesen Tagen.
Und damit das Argument weiter angewendet werden kann, muß das Instrument Hartz IV bestehen bleiben und so lange wie möglich zum Erfolg verklärt werden – Erfolge, die nur durch phantasievolle Statistikverschönerungen zustande kommen.
Und selbstverständlich müssen Hartz-Abhängige geqäult und gedemütigt werden … sonst bricht das ganze Negativmotivationsmodell, das Kapitalanlegern in den letzten Jahren Supergewinne zugeschanzt hat, in sich zusammen.
So sieht man das auf jeden Fall ganz pragmatisch und ganz unromantisch aus der Eifel. Einfach mal Gewerkschaftler fragen. Die wissen, was Hartz IV angerichtet hat, wobei einiger dieser Drecksäcke das Gesetz ja auch noch richtig gut fanden und versuchten, eine Arbeiterfront gegen Arbeitslose zu bilden.
Das hat aber nicht geklappt, trotz massiver medialer Unterstützung war die arbeitende Bevölkerung nicht so doof, nicht zu merken, wo´s langgeht.
Als Alternative zu dem mittelalterlichen Negativmotivationsmodell hat die Motivationsforschung schon eine ganze Reihe von anderen Motivationsmodellen entworfen, die allen Beteiligten wesentlich mehr Gewinn verspricht … außer natürlich denen, die nur noch ihr Geld arbeiten lassen wollen und selber lieber faul auf der Yacht liegen.
Doch wahren Reichtum für Eliten gibt es nur durch Sklavenarbeit. Echten Gewinn als solchen gibt es nur, wenn man denen, die den Gewinn erwirtschaften, nicht das Geld gibt, das ihre Arbeit Wert ist. Das weiß jeder, der außer in Wirtschaftsjournalistik auch in Geschichte Erfahrung sammeln durfte. Schon die Römer, Sumerer und Babylonier sind dadurch Reich geworden, von den USA ganz zu schweigen. Großkonzerne leben dieses Modell heute noch vor: ihr Gewinn läßt sich letztlich auf die Sklavenarbeit von Kindern zurückführen, wo die ganz große „Wertschöpfung“ stattfindet, die den ganzen Motor der westlichen Wirtschaft so wunderbar antreibt.
Und Hartz IV hat das System in der Bundesrepublik Deutschland etabliert. Selbst wenn es jetzt gekippt wird: fünf Jahre lang konnte gut abkassiert werden.
Nur nicht von denen, die Arbeit hatten oder keine Arbeit hatten, aber von all jenen, die sich schmarotzend und asozial um diese beiden Gruppen herum gruppierten.
Natürlich könnten wir auch weniger romantisch sein als momentan … eine blutige Sklavenrevolte ist auch in diesem Land denkbar. Wenn man den Leuten noch mehr Ungerechtigkeit präsentiert, können auch die irgendwann mal ausrasten. Das wußte noch jemand wie Henning Graf Lambsdorf – sicher kein Sozialromantiker.
Sozialgeld zahlen wir für sozialen Frieden, eine sichere Infrastruktur und dafür, das die Armen die Exzesse der Reichen ohne Neigung zur Gewaltanwendung ertragen.
Ansonsten wäre das Modell 1789 auch eine Lösung.
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Quelle: Eifelphilosoph